Reporting 2021

„Nachhaltigkeit ist eine Herzensangelegenheit“

Experten-
gespräch

Die Logistikimmobilien der Zukunft müssen, neben operativen, zunehmend ökologische und soziale Aspekte berücksichtigen. Denn Kunden, Kommunen und Investoren legen bei Immobilienprojekten hohe Maßstäbe in puncto Nachhaltigkeit an. Über die Marktsituation in der Kontraktlogistik und die Zukunft der Logistikimmobilie diskutieren Prof. Dr. Alexander Nehm, Logistikprofessor an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Mannheim, und Matthias Magnor, Kontraktlogistik-Vorstand bei BLG LOGISTICS.

Matthias Magnor und Professor Doktor Alexander Nehm

Zwei Experten im Gespräch: Matthias Magnor (links) und Prof. Dr. Alexander Nehm.

Alexander Nehm: Für Logistikdienstleister sehe ich auf dem Markt zwei Faktoren, die das Thema Nachhaltigkeit aktuell stark vorantreiben. Erstens legen Kommunen großen Wert auf effiziente, ökologische und sozialverträgliche Immobilien, da die Flächen in Deutschland stark begrenzt sind. Zweitens berücksichtigen Immobilienfonds Kriterien aus dem Bereich Umwelt und Soziales sowie verantwortungsvolle Werte für Investitionen. Wie erleben Sie das in der Praxis?

Matthias Magnor: Genauso. Große Fonds investieren nur noch in Immobilienprojekte mit einer belastbaren Nachhaltigkeitsstrategie. Das hängt auch mit politischen Maßnahmen wie der EU-Taxonomie zusammen, die die Akteure im Markt in diese Richtung bewegen.

AN: Das Problem ist aus meiner Sicht: Wo sollen neue nachhaltige Gebäude entstehen? Vor drei Jahren haben wir im Rahmen einer Studie für die Initiative Logistikimmobilien (Logix) festgestellt, dass in Deutschland noch kaum nachhaltige Logistikimmobilien vorhanden sind. Die große Masse an bebauten Flächen ist aktuell von Logistikzentren besetzt, die nur geringe ökologische noch soziale Aspekte berücksichtigen.

MM: In den 2000er-Jahren war Deutschlands Standortvorteil die Flächenverfügbarkeit, weshalb wir, als Käufer oder Mieter, aus einem großen Angebot wählen konnten. Seit einigen Jahren sehen wir, dass geeignete Flächen für Logistikimmobilien zunehmend rar werden. Die Nachfrage ist aber so groß, dass mittlerweile die Grundstücksbesitzer aus einer Vielzahl von Interessenten dem Höchstbietenden den Zuschlag erteilen können. Der Markt hat sich von einem Käufer zu einem Verkäufermarkt gewandelt.

Das C3 Bremen
Expertengespräch zu zukunftsweisenden Logistikimmobilien

Mehr als ein Arbeitsplatz

AN: Dieser Wandel betrifft nicht nur Flächen. Vor 20 Jahren waren qualifizierte Mitarbeitende ausreichend verfügbar; heute herrscht ein akuter Mangel an Fachkräften. Auch die Logistik ist davon stark betroffen.

MM: Definitiv. Und dieser Punkt wird sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen. Was der BLG-Gruppe in diesem Punkt zugutekommt, ist eine Unternehmenskultur, die die Mitarbeitenden in den Fokus stellt.

AN: Ich kann mir vorstellen, dass die BLG besonders in Bremen, mit ihrem Standing und als einer der größten Arbeitgeber, einen Vorteil auf dem hartumkämpften Arbeitsmarkt hat. Zukünftig wird das Angebot von ganzheitlich attraktiven Arbeitsplätzen eine noch bedeutendere Rolle spielen, um auch in der Logistik Mitarbeitende zu finden und zu binden.

MM: Die Gestaltung und Attraktivität der Arbeitsplätze ist sicher ein wichtiger Aspekt, um Mitarbeitende zu gewinnen. Wir bauen aktuell das „C3 Bremen“, ein XXL-Logistikzentrum. Damit schaffen wir an unserem Heimatstandort Bremen ein nachhaltiges Leuchtturmprojekt, das neue Maßstäbe setzt: Die Immobilie besticht durch Grünbereiche mit Ruhezonen, viel Tageslicht durch zusätzliche Fenster im Dach, in der Fassade und in den Toren, ein Betriebsrestaurant mit Außenterrasse, das bei einer ausgewogenen Ernährung unterstützt, sowie eine Grünanlage mit heimischen Bäumen und Gehölzen und sogar essbaren Früchten. Selbstverständlich spielen auch ergonomische Arbeitsplätze und die Unterstützung der Mitarbeitenden durch Digitalisierung und Automatisierung eine wichtige Rolle. Die Menschen müssen sich an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen.

Blick auf das XXL-Logistikzentrum C3 Bremen

„Die Menschen müssen sich an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen, sonst haben wir auf dem hartumkämpften Arbeitsmarkt keine Chance.“

Matthias Magnor, Vorstand Geschäftsbereich CONTRACT

Gemeinsam Klimaziele erreichen

AN: Wir haben über die Verfügbarkeit von Flächen und das Angebot attraktiver Arbeitsplätze gesprochen. Ein weiterer Faktor, der den Markt in der Kontraktlogistik bewegt, sind klimaschonende Konzepte. Interessant zu beobachten ist, dass Verlader sich klare Klimaziele setzen, ihnen aber häufig noch das Know­ how fehlt, um die CO2-Bilanz in einem kritischen Sektor wie der Logistik zu verbessern. Meine These: Unternehmen erhoffen sich von Logistikdienstleistern diesbezüglich Erfahrung und CO2-sparende Maßnahmen, die ihnen beim Erreichen der eigenen Klimaziele helfen. Können Sie das bestätigen?

Matthias Magnor

MM: Durchaus. Ich habe bereits erlebt, dass Kunden bereit waren, mehr in eine Lösung zu investieren, um ihre Klimaziele zu erreichen. Unsere Bestandskunden, aber auch potenzielle Kunden fragen immer häufiger ab, wie konkret unsere Klimaschutzziele aussehen, welche Maßnahmen ergriffen werden können und wie es um die Messbarkeit bestellt ist. In der Kontraktlogistik hat die Immobilie einen großen Anteil an CO2-Emissionen. Deshalb ist es nur logisch, dass wir als Logistikdienstleister auf die Forderung nach klimaneutralen oder sogar klimapositiven Logistikimmobilien Antworten anbieten und Lösungen finden.

AN: Um die Nachhaltigkeit einer Immobilie umfassend bewerten zu können, müssen aber nicht nur das Gebäude an sich, sondern auch die Transportwege berechnet und reduziert werden.

MM: Wenn ich daran direkt anknüpfen darf: Genau dieser Punkt macht den Standort C3 Bremen herausragend. Wir haben aufgrund der Lage eine direkte Anbindung an die Autobahn, den Schienenverkehr und über den Neustädter Hafen die Wasserverbindung zum Beispiel nach Bremerhaven.

AN: Ich sehe diese kombinierten Verkehrsanbindungen als richtige Reaktion auf die Marktsituation an. Kombinierte Transporte über die Schiene und das Wasser einzuplanen, ist schon immer eine ideale Alternative, da dies Straßen entlastet und CO2 spart. Vor dem Hintergrund der Energiewende nimmt dieses Thema hoffentlich deutlich an Fahrt auf.

MM: Beim C3 Bremen setzen wir insgesamt auf klimaschonende Konzepte. Das Gebäude wird über die derzeit größte zusammenhängende Dach-Photovoltaikanlage in Deutschland verfügen. Die erzeugte Energie werden wir nicht nur direkt vor Ort nutzen, sondern damit auch andere BLG-Standorte versorgen. Das bedeutet einen wichtigen Schritt im Rahmen unserer MISSION KLIMA: Bis 2030 wollen wir ein klimaneutrales Unternehmen sein. Dazu reduzieren wir die Emissionen innerhalb des Unternehmens deutlich und absolut um 30 Prozent, die Emissionen außerhalb um 15 Prozent. Unsere Aktivitäten zur Minderung der Treibhausgasemissionen sind von der Science Based Targets initiative (SBTi) wissenschaftlich anerkannt und neutral überprüft. Dieses Engagement erfüllt mich mit Stolz, weil Nachhaltigkeit für mich als Vater von drei Kindern eine Herzensangelegenheit ist.

Professor Doktor Alexander Nehm

Die Zukunft wächst in die Höhe

AN: Die BLG baut in Bremen eine ganzheitlich nachhaltige Logistikimmobilie, unterstützt durch wissenschaftliche Analysen und Zertifikate. Solche Konzepte begeistern mich stets. Ich halte das C3 Bremen tatsächlich für ein Vorzeigeprojekt. Hatten Sie mal darüber nachgedacht, die Immobilie mehrstöckig zu bauen? Auf diese Weise löst Japan das Problem der Flächenknappheit, wenngleich das Thema dort bereits wesentlich ausgeprägter ist.

Osaka

Japan löst das Problem der Flächenknappheit mit mehrstöckigen Logistikimmobilien.

MM: Zwar ist das C3 Bremen noch einstöckig, aber wir arbeiten bereits an der Planung mehrstöckiger Logistikimmobilien. Ich bin fest davon überzeugt, dass Multi-Level-Gebäude zunehmend ihren Platz in der Logistikimmobilienwelt finden werden.

AN: Wenn ich die Gesamtsituation in der Logistik betrachte, bin ich der festen Überzeugung, dass langfristig jede Immobilie nicht nur nach Kriterien der Nachhaltigkeit, sondern aufgrund der notwendig gewordenen Energieautonomie Europas und Deutschlands sogar energieautark beziehungsweise energiepositiv gebaut wird. Was glauben Sie angesichts Ihrer direkten Erfahrung: Kann die Fokussierung auf nachhaltige oder eben energieautarke Logistikimmobilien ein Merkmal sein, um sich in der Kontraktlogistik von der Konkurrenz abzuheben?

MM: Ein eindeutiges Ja. Wir sehen Lösungen für klimaneutrale oder sogar klimapositive Logistikimmobilien als zentralen Erfolgsfaktor. Deshalb werden wir das Thema nicht nur in der Kontraktlogistik weiterverfolgen - eine ganzheitliche Nachhaltigkeit steht bei uns in allen Geschäftsbereichen auf der Agenda. Wir glauben, dass dieser Antritt ein wichtiges Kriterium ist, weswegen Kunden sich für BLG LOGISTICS entscheiden.

Mehr Informationen zum C3 Bremen

Matthias Magnor

Matthias Magnor

Matthias Magnor (geb. 1974) verantwortet seit dem 1. Oktober 2021 den Geschäftsbereich Kontraktlogistik bei BLG LOGISTICS. Der Diplom-Betriebswirt besitzt eine umfangreiche Expertise in den Bereichen Supply Chain Management, Logistik, Dienstleistungen und Handel - seit mehr als 20 Jahren bewegt er sich in der Logistikbranche und der verladenden Industrie.

Professor Doktor Alexander Nehm

Prof. Dr. Alexander Nehm

Prof. Dr. Alexander Nehm beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren mit Logistikmärkten, Logistikimmobilien und -standorten. Seit Oktober 2020 ist er Professor im Studiengang BWL - Spedition, Transport und Logistik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mannheim. Zuvor war er Geschäftsführer der Logivest Concept GmbH und der Fraunhofer SCS in Nürnberg. Alexander Nehm ist außerdem Mitglied im Rat der Logistikweisen.