Reporting 2020

Gut verdrahtet

Das Volkswagen-Werk in Zwickau soll zum größten europäischen Produktionsstandort für Elektroautos ausgebaut werden. BLG LOGISTICS unterstützt dieses Wachstum an einer wichtigen Stelle: Ihr Logistikzentrum liefert taktgenau die Kabelbäume der Fahrzeuge. Eine Mission mit Zukunft.

In Meerane, zehn Kilometer von Zwickau entfernt, hatte man schon immer ein gutes Gespür für die Mobilität von morgen.

1906 wurden in der sächsischen Kleinstadt die ersten Karosserien für Autos hergestellt, als die meisten Zeitgenossen noch auf die gute alte Kutsche und wenige Pferdestärken setzten. 114 Jahre später wird die menschliche Fortbewegung erneut revolutioniert, die Elektromobilität nimmt Fahrt auf. Und wieder ist Meerane mit von der Partie. Seit Januar 2020 betreibt BLG LOGISTICS hier ein von Grund auf neu errichtetes Logistikzentrum, in dem Kabelbäume für Elektrofahrzeuge des Automobilzulieferers LEONI eingelagert, sequenziert und in das nahe gelegene Volkswagen-Werk in Zwickau geliefert werden. In der finalen Ausbaustufe ab Mitte 2021 werden in Zwickau sechs E-Modelle für drei Konzernmarken gebaut, bis zu 330.000 Fahrzeuge (maximale Kapazität) pro Jahr.

Den Auftakt macht das Volkswagen-Modell ID.3. Es folgen unter anderem der ID.4, der Audi Q4 e-tron und der Seat Cupra-Elborn. Zu jedem E-Volkswagen, der in Zwickau hergestellt wird, liefert BLG von Meerane aus ein Kabelbaum-Set von LEONI. Dabei gehören Fahrzeug und Set zusammen, wie Schlüssel und Schließzylinder. Der richtige Kabelbaum muss stets taktgebunden und sequenzgenau an der Montagelinie im Volkswagen-Werk bereitstehen. Anders ausgedrückt: Die von der BLG gelieferten Kabelbäume müssen sich zuverlässig und pünktlich dem ausgeklügelten Produktionsplan in Zwickau anpassen.

Der Weg der Bäume

Bis die Kabelbäume am Band von Volkswagen ankommen und ins Auto eingebaut werden, haben sie schon eine kleine Reise hinter sich. Im LEONI-Werk in Tunesien werden sie produziert, anschließend nach Genua verschifft und von dort per Lkw nach Meerane chauffiert. Rund vier Tage dauert der Transport per Fähre und Lkw von Tunesien nach Deutschland. „Da es zu Störungen in der Transportkette oder Änderungen im Produktionsprogramm kommen kann, ist unser Lagerbestand so konzipiert, dass wir maximal bis zu sieben Tage lang mit Komponenten im Voraus versorgt sind“, sagt Standortleiter Mathias Pfeiffer.

Nachdem die Lkw in Meerane eingetroffen sind, werden große Holzkisten entladen. In ihnen befinden sich je 42 Kabelbäume, die eine Identifikationsnummer tragen, damit sie eindeutig dem zu produzierenden Elektroauto zugeordnet werden können. Die Ware wird vorsichtig entpackt und überprüft: Sind die Kabelbäume vollständig, gibt es Beschädigungen, entsprechen sie exakt den von LEONI übermittelten Lieferdaten? All das und mehr wird im internen IT-System dokumentiert.

Bild: Mathias Pfeiffer, Standortleiter

Anschließend lagert das BLG-Team sie in unterschiedlich große, verschiedenfarbige Behälter um, scannt sie ins EDV-System ein und verknüpft sie im IT-System miteinander. So sind die Kabelbäume für die Reise ins sogenannte „Automatische Kleinteilelager“ (AKL) gerüstet, das mit seiner Größe und seinen technischen Möglichkeiten beeindruckt. Elf Regalgassen mit 18 Ebenen finden sich hier, Platz für gut 37.000 Behälter-Stellplätze. Acht Regalbediengeräte huschen durch die Gassen. Unermüdlich sind sie damit beschäftigt, die AKL-Behälter im Regal ein-, um- oder auszulagern. Ein gigantisches, automatisches Puzzle, das die Lagerhalle mit einem Surren und Summen erfüllt. Das sorgfältige Einlagern der Kabelbäume ins AKL durch die BLG-Mitarbeitenden ist elementar. Es stellt sicher, dass die Komponenten am richtigen Platz bereitliegen und jederzeit vollautomatisch weiter an Volkswagen geliefert werden können – ohne Unklarheiten, Verzögerungen oder Verwechslungen. „So leisten wir die entscheidende Vorarbeit, damit in Zwickau am Band der passende Kabelbaum für das richtige Auto zur Verfügung steht, und zwar genau dann, wenn er gebraucht wird“, erklärt Mathias Pfeiffer.

Keine einfache Aufgabe, denn der BLG-Standort muss quasi täglich mehr und mehr Kabelbäume verarbeiten, wenn der Ausstoß des Volkswagen-Werks in Zwickau kontinuierlich wächst. „Damit alle Arbeitsabläufe jederzeit stabil und verlässlich sind und bleiben, bedarf es eines sehr guten Zusammenspiels von Planung, IT, Technik und motivierten Mitarbeitenden.“ Bislang gelinge das, sagt der 39-Jährige. „Und wir setzen alles daran, dass es so bleibt.“

Schnell, umsichtig, sorgfältig

Es ist eine große Menge an Kabelbaum-Komponenten, deren Vollständigkeit geprüft, die zügig und sicher eingelagert und automatisch zum richtigen Zeitpunkt weitergeleitet werden müssen. Jeden Tag, in drei Schichten, rund um die Uhr. „Die Anforderungen an die Sorgfalt und die Lernfähigkeit von Mitarbeitenden, Technik und IT könnten kaum höher sein“, fasst es Mathias Pfeiffer zusammen. Zumal es um sensible Komponenten geht. Kabelbäume zählen neben der Software und der Batterie zu den besonders wichtigen Teilen eines Elektroautos. Sie stellen so etwas wie seine Nervenfasern dar. Pro E-Auto gibt es in der Regel sieben verschiedene. Gemeinsam bilden sie das Bordnetzsystem, für das LEONI ein weltweit gefragter Spezialist und Partner vieler Autohersteller ist. Das Bordnetzsystem steuert nicht nur den Antrieb, sondern auch das Klima-, Sound- und Navigationssystem sowie Fahrerassistenz-Systeme wie Einparkhilfe oder Stauassistent.

Die Aufzählung ließe sich fortsetzen, denn Autos werden immer vielfältiger und leistungsfähiger. Und je mehr Funktionen sich die Kundschaft für ihr stromgetriebenes Gefährt wünscht, umso potenter müssen das Bordnetzsystem und die Kabelbäume werden. Hinzu kommt: Da der überwiegende Teil aller Neuwagen individuell konfiguriert und bestellt werden, sind auch die Kabelbaum-Sets sehr unterschiedlich. Die Komplexität wächst in allen Bereichen – und sie will logistisch bewältigt werden.

1,6 km
Die Länge des Kabelnetzes eines durchschnittlich ausgestatteten Golf beträgt fast 1,6 Kilometer.

Bereit für die Zukunft

Die gesamte Logistik rund um das Werk ist deshalb besonders gefordert, sie muss permanent wie am Schnürchen laufen. Für das BLG-Logistikzentrum heißt es: das Tempo hochhalten und wie gewohnt die Ärmel hochkrempeln. „Das ist sicherlich keine Übertreibung“, meint Standortleiter Mathias Pfeiffer schmunzelnd. Seit 16 Jahren steht er in den Diensten der BLG und leitete die BLG-Aktivitäten an den Daimler- und BMW Group-Standorten Kölleda und Leipzig. Die sehr hohen Qualitätsansprüche der Autoindustrie ist er gewohnt. Meerane ist für ihn und die aktuell 42 Mitarbeitenden etwas Besonderes. „Es ist toll, einen neuen Standort von der Pike auf mitzugestalten. Ich habe selten so eine steile Hochfahrkurve erlebt.“